Autor: Michael Neuber

  • Druck ablassen – Warum jetzt?

    Druck ablassen – Warum jetzt?

    Seit drei Jahren gibt eine Krise der anderen die Klinke in die Hand. Viele Menschen leben dadurch in einer Daueranspannung. Erstes Gebot ist jetzt: Druck ablassen!

    Daueralarmierung

    Was wir seit gut drei Jahren erleben, ist eine Aneinanderreihung von Krisen, die kaum überschaubar sind. Teilweise überlappen sie sich: Pandemie, Klimakrise, Krieg in Europa, Energiekrise, Finanzkrise. Dabei ist die mediale Berichterstattung geprägt von Berichten über das, was tatsächlich passiert, aber auch von Einschätzungen und Befürchtungen, was passieren könnte. Hinzu kommt, dass man als Einzelperson nur begrenzt zur Lösung der Krisen beitragen kann. Es gibt keinen individuellen Masterplan, der die jeweilige Krise durch mein persönliches Verhalten zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt beenden kann und wird. Viele Menschen erleben eine Hilflosigkeit angesichts dieser Situation und geraten dadurch in eine Daueranspannung, die sie bemerken oder auch nicht.

    Die Rolle des vegetativen Nervensystems

    Krisen und Hilflosigkeit führen dazu, dass wir die Situation als feindselig empfinden, in der wir uns befinden. Dadurch wird das vegetative Nervensystem in einen Alarmzustand versetzt. Das ist der Zustand, in dem wir kampf- oder fluchtbereit sind, im schlimmsten Fall in eine Art Todesstarre versetzt werden. Das vegetative Nervensystem arbeitet autonom. Das bedeutet, es ist von unserem Verstand abgekoppelt. Auch wenn wir vielleicht nicht direkt von einer Krise betroffen sind, wirkt sich die Nachricht über eine Krise oder die Befürchtung, dass eine Krise uns betreffen könnte, alarmierend aus. So funktionieren Filme. Natürlich weiß unser Verstand, dass es sich nur um Fiktion handelt. Dennoch spannen wir unsere Muskulatur kampfbereit an, bekommen eine Gänsehaut, wenn wir einen Horrorfilm sehen. Das vegetative oder autonome Nervensystem übernimmt das Steuer. Wir sind unter Druck.

    „Unter Druck“ – was bedeutet das?

    Im Kampf- oder Fluchtmodus ist die Muskulatur angespannt, die wir für beide Aktionen benötigen würden. Die Schultern sind hochgezogen, die Fäuste geballt, die Beine sprungbereit, der Körper gebeugt, um die lebenswichtigen Organe zu schützen. Herz und Kreislauf sind aktiviert. Die Wahrnehmung ist fokussiert auf die Bedrohung. Verstand, Intelligenz, kognitive und kreative Fähigkeiten sind unterdrückt. Wir sind gleichsam mit Scheuklappen unterwegs.

    Im sozialen Miteinander sind wir in diesem Zustand gereizt, beschleunigt, aggressiv. Wir fallen in archaische Muster zurück. Im Alltag lässt sich dies gerade sehr gut beobachten. Dabei halten wir uns zunächst in der Selbstwahrnehmung für besonders agil, umtriebig, als sei der Knoten geplatzt. Dies ist eine Illusion. „Unter Druck“ verlieren wir mehr und mehr den Kontakt zu uns selbst. Wir spüren unseren Körper nicht mehr, nur noch, wenn er sich energisch zu Wort meldet. Im Kampf- oder Fluchtmodus wäre es auch hinderlich, kleinere Verletzungen zu spüren. In archaischen Situationen ist dies durchaus erwünscht, weil es das Überleben sichert. Hält dieser Zustand jedoch nur lange genug an, erschöpfen sich unsere Ressourcen. Unsere Energie schwindet, wir ziehen uns zurück, vermeiden Hobbies und Geselligkeit und gute Gewohnheiten, wie Meditation, immer mehr und verlieren dadurch alles, was uns noch stärken könnte. Dies ist der Eintritt in eine unheilsame Abwärtsspirale.

    Druck ablassen

    In der Meditation, besonders in der Haltung des Zazen, wird der Kontakt zu unserem Körper wieder hergestellt. Erst im Anhalten wird der Raum frei, unsere Anspannung wahrzunehmen. Wir spüren den Druck in uns, wie verbeult oder verkantet wir in der Meditation sitzen. Nur was wir wahrnehmen und annehmen, können wir auch loslassen. Erst durch das Loslassen öffnet sich die Tür zu den Teilen des vegetativen Nervensystems, die der Daueralarmierung entgegen wirken und die Regeneration anstoßen. Dies gelingt noch einmal besser, wenn die Meditation, insbesondere das Zazen, durch eine individuell angepasste Übung verfeinert wurde. Der eine Teil der Alarmierung wird ja durch externe Faktoren ausgelöst, der andere Teil durch unsere individuellen Reaktionsmuster. Erst wenn wir unseren individuellen Anteil am Geschehen mit berücksichtigen, erlangen wir die Fähigkeit zum Druckablassen, das Druckventil zu öffnen.

    Wenn sich das Druckventil nicht öffnet

    Auch auf dem Zen-Weg Erfahrene kennen es, dass sie Zazen praktizieren, aber das Druckventil klemmt. Zwar kommt immer noch etwas Energie rein, die Unruhe schwindet ein wenig, aber so richtig rund läuft es nicht mehr. In einer mehrjährigen komplexen Krisensituation und Daueralarmierung können die Kompensationsmöglichkeiten und die Fähigkeiten zur Selbststeuerung ermüden. Jetzt einfach so die Dosis des Zazen zu erhöhen, ist nicht geeignet, das Druckventil wieder zu öffnen. Das macht alles nur schlimmer. Jetzt braucht es eine leichte Korrektur der Übung.

    Eine Übung zu erlernen oder zu korrigieren geht besonders gut auf einem Zen-Seminar. Besonders in der Daueralarmierung ist es häufig notwendig, erst einmal Druck herauszunehmen, um die Fähigkeit zur Meditation wieder herzustellen. Dann öffnet sich das Druckventil wieder geschmeidig und der Weg wird frei. Unsere Fähigkeiten zur Regeneration erwachen wieder. Wir werfen die Scheuklappen fort und sehen wieder Lösungen, die wir zuvor gar nicht mehr wahrgenommen haben.

    Termine: https://www.zen-leadership.training/zen-leadership-way/stressbalance-und-vitale-energie/

    Beitrag von Dr. med. Michael Neuber

  • Die Bedeutung der 3 Nen im Führungsalltag

    Die Bedeutung der 3 Nen im Führungsalltag

    Katsuki Sekida beschreibt, wie durch die 3 Nen Bewusstsein entsteht. Was bedeutet das für den Führungsalltag?

    Katsuki Sekida war ein Zen-Meister, der von 1893 bis 1987 gelebt hat. Er hat sich sehr mit physiologischen und psychologischen Vorgängen im Menschen bei der Zen Meditation beschäftigt. In seiner Theorie der 3 Nen zeigt er sehr anschaulich, wie unser Bewusstsein und unsere Ich-Entwicklung entstehen. Welche Bedeutung die 3 Nen für unseren Führungsalltag haben, wird hier erläutert.

    Was ist ein Nen?

    Aus physiologischer Sicht ist ein Nen ein Gedankenimpuls, ein elektrischer Strom, der in unserem Nervensystem von einem Ort zu einem anderen läuft. Die Gesamtheit aller Nens erzeugen unsere Wahrnehmung, unsere Erfahrungen und schließlich das, was wir unser Ich nennen.

    Wie durch die 3 Nen Bewusstsein entsteht

    Über unsere Sinnesorgane sind wir mit der uns umgebenden Welt verbunden. Wir sehen, riechen, fühlen, hören, schmecken. Am Beispiel des Sehens entsteht auf der Netzhaut des Auges ein Bild wie auf einer Leinwand, das in der Netzhaut in elektrische Impulse umgewandelt wird. Diese elektrischen Impulse werden über die Sehnerven ins Sehzentrum im hinteren Teil unseres Großhirns geleitet. Bis hierher handelt es sich also um eine völlig reine Wahrnehmung. Dies ist das erste Nen.

    Das bleibt nicht unbemerkt. Wir werden uns des ersten Nens bewusst. Im limbischen System, einem entwicklungsgeschichtlich alten Teil unseres Gehirns, entstehen Gefühle über die Wahrnehmungen. Wir bewerten unsere Wahrnehmungen, kleben sozusagen Etiketten auf. Dies mag ich, jenes mag ich nicht. Wir teilen die Welt ein in gut und böse. Gleichzeitig werden die Wahrnehmungen untereinander verknüpft. Das ist wichtig, damit wir nicht umfallen, wenn wir den Kopf bewegen und das Gesehene wie ein Film an uns vorbei läuft. Dies alles entspricht dem zweiten Nen.

    Erst jetzt kommt das Großhirn ins Spiel. Die Wahrnehmungen werden mit unserem Gedächtnis, Sprachzentrum, Sprechzentrum, unserer Intelligenz und Kreativität, den Zentren für emotionale Kontrolle, der Körperempfindung und den motorischen Zentren, die unsere Bewegungen und Körperhaltung ermöglichen, verknüpft und abgeglichen. Dies alles entspricht dem dritten Nen.

    Strom des Bewusstseins und Ich-Bildung

    Alle Nens sind untereinander verbunden. Auf jedes erste Nen folgt ein zweites und ein drittes. Da wir aber nicht nur eine Wahrnehmung zur Zeit haben, sondern ganz viele, laufen viele dieser Nen-Ketten gleichzeitig ab und sie sind miteinander vernetzt. So entsteht aus jedem dritten Nen immer auch ein neues erstes und zweites Nen. Denn wir nehmen auch unser Denken wahr und diese Wahrnehmung erzeugt eine neue Nen-Kette von erstem, zweitem und drittem Nen. Alles zusammen bildet eine fortlaufenden Strom von Nen-Ketten, die dazu führen, dass wir unserer selbst und der Welt um uns herum bewusst werden.

    Von Geburt an und ganz sicher auch schon davor setzt dieser Bewusstseinsstrom ein. Aus unseren Wahrnehmungen, der Bewertung dieser Wahrnehmungen, unseren daraus folgenden Handlungen und den Reaktionen der Umwelt entstehen unsere Erfahrungen und letztlich das, was wir als unser Ich bezeichnen. Kurz: Dies bin ich und jenes ist die Welt um mich herum. Durch Erfahrungen bestätigt und verstetigt sich das Bild von uns selbst und der Welt. Es ist wie bei Online-Käufen. Die Plattformen bieten uns schließlich nur noch eine eingeschränkte Auswahl an Artikeln an, die unserem Profil entsprechen. Dies ist ein sicherer Weg, ein in seinen Ansichten eingeschränkter, wenig flexibler, letztlich granteliger alter Mensch zu werden.

    Interessant ist dabei auch, dass uns immer nur das stärkste dritte Nen richtig bewusst wird. Alle schwächeren laufen unterbewusst ab, entfalten jedoch ebenfalls ihre Wirkung in diesem Prozess. Unbewusste Nen-Ketten bauen einen Druck auf und können zu eruptivem Verhalten führen.

    Welche Bedeutung hat das für unseren Führungsalltag?

    Unser Führungsalltag ist bestimmt durch Gespräche mit Mitarbeitenden und Geschäftspartnern. Wenn wir uns in einem wichtigen Gespräch befinden, ist es meist von Vorteil, die Situation zunächst so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist. Durch den ständigen Ablauf und die Wechselwirkung der drei Nen tun wir das nicht wirklich. Vor allem das dritte Nen sorgt dafür, dass wir jede Wahrnehmung mit unserer gesamten Lebensgeschichte abgleichen und kommentieren. Da nur das jeweils stärkste dritte Nen in unsere Aufmerksamkeit springt, spielt sich der Großteil der dritten Nens in unserem Unterbewusstsein ab, entfaltet dort jedoch auch seine Wirkung. Wir nehmen die Gesprächssituation also nicht objektiv wahr, sondern durch das Filter unseres Bewusstseinsstroms. Oder pointiert: Wir nehmen nur das wahr, was wir wollen. Wir sind nicht wirklich offen, wenn wir eine Gesprächssituation so wahrnehmen, sondern unterliegen unseren Vorgeschichten und Vorurteilen.

    Wir kennen das alle aus dem Alltag: Mit den Jahren in einem Betrieb oder in Geschäftsbeziehungen kennt man seine Pappenheimer. Schon ist die Offenheit im Umgang miteinander beschränkt. Oder Worte, Gesten oder die Kleidung des Gegenübers erinnern uns an angenehme oder unangenehme Erfahrungen aus der Vergangenheit. Wird uns dies bewusst, besteht die Chance, möglichst professionell gegenzusteuern. Meistens laufen solche Prozesse jedoch unbewusst ab. Dann sind wir Opfer unseres bisher im Leben erworbenen Ichs.

    Zen Meditation eröffnet hier eine Chance

    In der Zen Meditation üben wir anzuhalten. Wir trainieren, auf der Ebene des ersten Nens, also der reinen, unkommentierten und unverstellten Wahrnehmungen, innezuhalten. Wir trainieren, die Welt so wahrzunehmen, wie sie ist. Die Etiketten fallen ab.

    Dies eröffnet einen wunderbaren Raum. Bewusstseinsströme sind veränderbar. Wir erkennen unsere eingefahrenen Muster und sind erst dadurch überhaupt in der Lage, Situationen wirklich offen wahrzunehmen. Erst dadurch können wir Neues ausprobieren, neue Erfahrungen machen, flexibel auf Veränderungen reagieren, das bisher von uns Ungedachte denken und Neues erfinden. Wir müssen nicht so bleiben, wie wir sind. Das ermöglicht Entwicklung und Wachstum.

    Diese Möglichkeit haben wir jederzeit, in jedem Moment, solange unser Nervensystem und unser Denkorgan funktionieren. Jederzeit haben wir die Möglichkeit, uns und anderen diesen wunderbaren Raum zu öffnen. Wir müssen nicht immer alles glauben, was wir denken. Je länger und intensiver unser Trainingsweg ist, desto agiler und schneller werden wir. Es ist wie bei jedem Training.

    Jedes Seminar des Zen Leadership Way öffnet dabei einen anderen Aspekt:

    https://www.zen-leadership.training/

    Zum Buch „Zen Training“ von Katsuki Sekida:

    https://www.zvab.com/buch-suchen/titel/zen-training/autor/katsuki-sekida/

    Beitrag von Dr. med. Michael Neuber

  • Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Psychosomatische Beschwerden sind relativ häufig. Dieser Beitrag erläutert die physiologischen Zusammenhänge und wie Zen in Vorbeugung und Behandlung unterstützend wirkt.

    Als psychosomatische Beschwerden werden in der Medizin körperliche Beschwerden bezeichnet, die nicht oder nicht nur auf Funktionsstörungen des Körpers zurückzuführen sind. Sie ähneln aber in ihrer Ausprägung rein körperlichen oder organischen Beschwerden. Aber diese trennende Aufteilung in körperliche, psychische und psychosomatische Beschwerden entspricht einer historischen, medizinischen Betrachtungsweise, die jedoch immer noch aktuell ist und der Aufteilung in medizinische Fachgebiete entspricht. Im Zen – wie auch anderen fernöstlichen Traditionen – ist diese Trennung nie vollzogen worden.

    Normale psychosomatische Funktion

    Unser Körper wird entscheidend durch das vegetative Nervensystem gesteuert. Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Teilen, die Waagschalen einer Waage miteinander arbeiten, dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus aktiviert unseren Körper, wie es beim Kämpfen oder Flüchten erforderlich war und ist. Der Parasympathikus sorgt für Erholung, Regeneration, Verdauung, Entspannung und ist auch bei der Fortpflanzung aktiv. Ist der Sympathikus aktiv, ruht der Parasympathikus und umgekehrt. Beide Systeme hochgefahren gleichzeitig geht nicht. Dies alles findet auf entwicklungsgeschichtlich niedrigen Ebenen des Nervensystems statt, im Rückenmark, Hirnstamm, Stammhirn, Mittelhirn. Unsere Wahrnehmungen aus der Umwelt, aber auch aus dem Körper selbst, und das vegetative Nervensystem stehen in ständigem Austausch miteinander.

    Was wir als Psyche bezeichnen ist hingegen eher im entwicklungsgeschichtlich jüngeren Großhirn im Zusammenspiel mit dem Mittelhirn lokalisiert. Beide sind jedoch nicht vom übrigen Nervensystem getrennt. Vielmehr findet ein intensiver Austausch untereinander statt. Und es ist keinesfalls so, dass das Großhirn sozusagen die anderen Anteile dominiert und der Austausch nur in dieser einen Richtung vom Großhirn zum Rest hin stattfindet.

    Eine echte Trennung von Körper und Psyche gibt also allenfalls aus medizinhistorischen oder didaktischen Gründen und nicht in Wirklichkeit.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Quelle: Wikipedia, aus Neil A. CampbellJane B. Reece: Biologie. Spektrum-Verlag Heidelberg-Berlin 2003, ISBN 3-8274-1352-4

    Psychosomatische Funktion bei psychischer Belastung

    Bei anhaltenden psychischen Belastungen kommt es nun zu einer Verschiebung des inneren Gleichgewichts hin zum Sympathikus. Wir sind daueralarmiert. Faszinierend ist, tatsächliche Belastungen verstärken sich sehr häufig durch Gedankenketten, Befürchtungen, Ängste, Glaubenssätze, die mit der tatsächlichen Belastung nur wenig zu tun haben. Unser ewiges Gedankenkarussell dreht und dreht. Was hätte ich besser machen können? Wenn ich das nicht schaffe, was dann? Was sollen die anderen von mir denken? etc. … Das Gedankenkarussell hat selbst keine greifbare Substanz. Der Sympathikus, der dadurch aktiviert wird, führt aber zu realen, messbaren Veränderungen unseres Körpers.

    Ist der Sympathikus aktiviert, sind wir bereit zum Kampf oder zur Flucht. Die Schultern sind hochgezogen, der Rumpf gebeugt zum Schutz der lebenswichtigen Organe. Die Beine sind sprungbereit. Atmung und Herzaktivität sind beschleunigt. Energiereserven werden im Blut bereitgestellt. Der Blutdruck steigt, um die Muskeln mit Energie und Sauerstoff zu versorgen. Verdauung, Immunsystem, Sexualität werden gedrosselt. Die Schmerzempfindung und der bewusste Kontakt zu unserem Körper wird heruntergeregelt. Es ist die vollkommene Fokussierung auf Kampf oder Flucht. Intelligenz und Kreativität sowie ein soziales Miteinander sind in diesem Moment nicht mehr möglich.

    Ist der Sympathikus daueraktiviert, bleiben wir im Zustand der Daueralarmierung, bis die Ressourcen des Körpers erschöpft sind.

    Psychosomatische Funktionsstörungen bei Dauerbelastung

    Auf diese Erschöpfung macht der Körper uns zunächst durch Beschwerden aufmerksam, später durch Krankheiten. Es kommt zu schmerzhaften Verspannungen des Bewegungsapparates, die in bleibende Veränderungen der Gelenke, Faszien, Bandscheiben übergehen. Der Blutdruck ist dauerhaft erhöht. Herzrhythmusstörungen können auftreten. Der Stoffwechsel verschiebt sich hin zu erhöhten Blutfetten und einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Die Tätigkeit von Magen und Darm sind gestört. Häufig kommt es zu Übersäuerungen, Druck im Oberbauch, Durchfall, Verstopfung. Infekte häufen sich. Das Sexualleben ist gestört. Bei hohem Erholungsbedürfnis funktioniert das Schlafen nicht mehr. Arztbesuche sind nötig. Das warten auf Termine und wenig richtungsweisende Befunde beunruhigen zusätzlich. Eine verhängnisvolle Abwärtsspirale beginnt.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Selbstverständlich ist es nötig, alle diese Beschwerden durch medizinische Diagnostik abzuklären. Hinter allem können ja behandlungsbedürftige Krankheiten stecken, die wir dem klassisch somatischen Bereich zuordnen, also dem körperlichen Bereich. Das ist der Schwerpunkt und Nutzen der spezialisierten westlichen Medizin. Oder wenn die körperlichen, die somatischen Beschwerden nur Begleiter einer ernsthaften psychischen Erkrankung sind, dann ist es der Schwerpunkt der Psychiatrie. Manchmal ist das Beschwerdebild auch so stark fortgeschritten, dass eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist, um überhaupt aus westlich medizinischer Sicht „weichere“ Methoden zum Einsatz bringen zu können.

    Vorher jedoch, wenn wir uns noch im Bereich der Funktionsstörungen bewegen, kann Zen regulierend und vorbeugend wirken. Zen im Sinne eines Weges, bestehend aus regelmäßiger Meditation, dem Zazen, und regelmäßiger körperlicher Aktivität.

    Bewegung bringt Körper und Psyche in Einheit

    Regelmäßige körperliche Aktivität, gern ein Mix aus Kraft und Ausdauer, trainieren das Spiel des vegetativen Nervensystems. In der körperlichen Belastung ist der Sympathikus aktiv, danach in der Erholung der Parasympathikus. Körper und Psyche werden hier zu einer Einheit. Die psychosomatischen Regelkreise werden trainiert. Anspannung und Entspannung folgen einem ganz natürlichen Rhythmus.

    Im Zazen sitzen wir körperlich still, aufrecht, Schulter und Nacken entspannt, der Bauch entspannt, die Brust geöffnet. Die Körperhaltung bei Alarmierung ist aufgehoben. Dies erleichtert ganz natürlich ein heilsames, rhythmisch fließendes Atmen mit verlängerter Ausatmung, die sich von selbst ergibt – gern unterstützt durch eine Meditationsübung. Hierdurch wird der Parasympathikus aktiviert.

    Sport und Zazen haben also einen direkt therapeutischen Effekt bei psychosomatischen Funktionsstörungen. Regelmäßiges Zazen führt aber darüber hinaus zu einem Anhalten unserer Gedankenkarusselle und mehr und mehr zur Erkenntnis, was unser ganz persönliches Karussell ist und was Wirklichkeit.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen: Einen wunderbaren Einstieg in diesen Weg bietet u.a. das Seminar „Releasing the pressure – Stressbalance und vitale Energie“ https://www.zen-leadership.training/zen-leadership-way/stressbalance-und-vitale-energie/ .

     

    Blogbeitrag von Dr. Michael Neuber, Zen Leadership Trainer, Arbeitsmediziner, Allgemeinmediziner und Betriebsarzt

  • Leistung braucht Pausen: Fünf Minuten Zazen

    Leistung braucht Pausen: Fünf Minuten Zazen

    Warum brauchen wir eigentlich Pausen? Warum können wir nicht ununterbrochen Leistung bringen? Leistung braucht Pausen und mit bereits fünf Minuten Zazen erholen wir uns.

    Wir sind rhythmische Wesen

    Es gibt ein Prinzip, das wesentlich älter ist als Zen. Morgens geht die Sonne auf und abends geht sie unter. Das klingt zunächst banal, ist es aber nicht. Jedes Lebewesen hat sich im Laufe der Jahrmillionen an diesen Rhythmus angepasst. Dabei ist es gleichgültig, ob es klein oder groß, hochentwickelt oder primitiv ist. Daran ändert auch nicht, dass wir uns mit Flugzeugen rasch über Zeitzonen hinweg bewegen oder uns mit Licht eine künstliche Sonne einschalten können. Wir Menschen gehören zu den tagaktiven Lebewesen. Auch wir sind rhythmische Wesen, die nach einer Phase der Leistung eine Pause brauchen, um zu regenerieren.

    In unserem Alltag sind wir es gewohnt, komplizierte Prozesse zu gestalten. Mit Intelligenz und Kreativität lenken wir die Dinge. Wir erfinden ständig Neues, reagieren auf Wendungen und arbeiten in Teams zusammen. Das tun wir mit den jüngsten Anteilen unseres Nervensystems, dem Neocortex.

    Das Nervensystem können wir nicht willentlich beeinflussen

    Unser Rhythmus hingegen wird in unserem vegetativen Nervensystem gesteuert. Diese Teile des Nervensystems sind entwicklungsgeschichtlich älter. Sie heißen auch autonomes Nervensystem, weil wir es willentlich nicht beeinflussen können. Wir können noch so schlafen wollen oder uns einen niedrigen Blutdruck herbeidenken wollen, es wird uns nicht gelingen.

    Der Sympathikus steuert auf Rückenmarksebene die Körperfunktionen für Kampf, Flucht oder maximale Erstarrung. Wenn wir vor 20.000 Jahren in der Steppe auf ein Raubtier trafen, konnten wir nicht mit unserem Neocortex überlegen, ob wir uns mit einem Stein oder einem Stock verteidigen sollen. Dann waren wir bereits gefressen.

    Der Parasympathikus ist in wesentlichen Teilen zwischen Neocortex, Großhirn und Rückenmark lokalisiert, im sogenannten verlängerten Rückenmark. Der Parasympathikus steuert Regeneration, Schlaf, Verdauung, Immunsystem, Fortpflanzung. Er ist der Teil des autonomen Nervensystems für die Pause.

    Sympathikus und Parasympathikus sind wie zwei Waagschalen miteinander verbunden. Ist der eine aktiviert, fährt der andere runter. Beide gleichzeitig zu aktivieren, funktioniert nicht. Beide agieren rhythmisch gegenläufig. Leistung braucht immer Pausen.

    Der Körper gibt Signale

    Wenn wir konzentriert und vielleicht auch etwas angestrengt in unserer modernen bewegungsarmen Arbeitswelt arbeiten, meldet sich zuerst unser Körper. Er sendet uns Signale, dass er eine Pause möchte.

    • Bewegungsdrang
    • Gähnen, Seufzen, vertiefte Atmung
    • Hunger, Durst
    • Verspannungen vor allem im Kopf- Nackenbereich

    Jetzt ist es Zeit für eine Pause. Übergehen wir diese Signale, geht der Körper in eine Gegenregulation und aktiviert den Sympathikus. Übergehen wir die Pausensignale langfristig, verschiebt sich das vegetative Gleichgewicht immer mehr in Richtung des Sympathikus. Wir geraten dann in eine Daueralarmierung. Daraus entwickeln sich viele sogenannte Zivilisationskrankheiten und psychische Erschöpfung.

    Bereits fünf Minuten Pause beugen dieser unheilsamen Entwicklung vor. Arbeitsphysiologisch ist der Effekt einer Pause in den ersten fünf Minuten am größten. Alles weitere ist z.B. wichtig für die Nahrungsaufnahme. Aber für die kleine Regeneration zwischendurch reichen fünf Minuten.

    Pause: Aber wie?

    Körperliche Bewegung reduziert den Spiegel der Hormone, die durch den Sympathikus ausgeschüttet wurden. Der Sympathikus aktiviert nämlich eine körperliche Reaktion. Das Raubtier wird nicht mit dem Großhirn erlegt!

    Fünf Minuten Zazen z.B. auf dem Bürostuhl aktiviert den Parasympathikus. Das ruhige sich im Bauch-Beckenraum niederlassende Ausatmen während des Zazens führt zu einer Beruhigung des Atemzentrums im verlängerten Rückenmark. Die gleichmäßigen Bewegungen im Bauch-Beckenraum wie eine Darm- oder Bauchmassage senden beruhigende Signale entlang des Eingeweidenervens und aufsteigenden Nervenbahnen in Richtung des Neocortex.

    Entspannung statt E-Mails

    Es lohnt sich also, zwischen anstrengenden Meetings eine kurze Pause zu machen. Verzichten Sie darauf, kurz vor wichtigen Gesprächen noch einmal die Mails zu checken oder jemanden anzurufen und sich halbherzig in eine Sache einzulassen, zu der Sie eigentlich keine Zeit haben. Und wenn Sie aus einem wichtigen, vielleicht anstrengenden Gespräch zurückkommen, haben die zwischenzeitlich eingegangenen Mails auch noch fünf Minuten Zeit.

    Leistung braucht Pausen: Fünf Minuten Zazen – und wir sind wacher, konzentrierter, fokussierter. Mit dieser Routine verändert sich unser Arbeitsleben spürbar.

    Eine Anleitung von Zen-Meister Hinnerk Polenski dazu gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=FVDs9kjaXaE

    Blogbeitrag von Dr. Michael Neuber, Zen Leadership Trainer, Arbeitsmediziner, Allgemeinmediziner und Betriebsarzt

  • Stress im Alltag wahrnehmen und transformieren

    Stress im Alltag wahrnehmen und transformieren

    Häufig nehmen wir im Alltag Stress überhaupt nicht wahr und werden so Opfer des Geschehens, ohne es steuern zu können.

    Dr. Michel Neuber, Trainer im Zen Leadership und Betriebsarzt des WDR erläutert für uns, welche Mechanismen ablaufen und wie wir mit Stress angemessen umgehen können.

    Wie ist die Ausgangssituation?

    Eines unserer Gebäude wird etagenweise saniert. Unter dem Putz mancher Wände befindet sich asbesthaltiger Klebstoff. Mit Abschlagen des Putzes wird Asbest frei. Die Arbeiten finden unter den üblichen Schutzmaßnahmen statt. Dennoch ist aus dem Fahrstuhlschacht in einer noch genutzten Etage weißer Staub ausgetreten. Ich war an dem Nachmittag, als dies geschah, außer Haus.

    Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Auto in die Kölner Innenstadt in meine Betriebsarztpraxis. Wie üblich stehe ich im Stau und werde erst kurz vor dem ersten Termin in der Praxis ankommen. Noch 15 Minuten. Das Telefon geht. Über die Freisprechanlage gehe ich ran. Die möglicherweise Freisetzung von Asbest wird mir berichtet. Ich werde gebeten, an einer spontan einberufenen Abteilungsversammlung der möglicherweise exponierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilzunehmen. Messergebnisse liegen noch nicht vor.

    Wodurch entsteht jetzt Stress?

    Eine Gedankenfolge beginnt schlagartig: Asbest ist krebserregend, ein echter Killer. Ich sehe mich als Betriebsarzt inmitten einer von Angst und Panik erfüllten Abteilungsversammlung aufgebrachten Menschen gegenüber und soll denen etwas Kluges sagen. Dieses Bild wechselt sich ab mit dem Wartezimmer der Praxis, in dem die KollegInnen mit Termin auf mich warten. Die Energie steigt auf. Die Atmung beschleunigt sich. Nacken und Schulter verspannen sich. Ich bin im Coping-Modus: Warum ich? Warum jetzt?

    Welche Gefahr besteht jetzt?

    Ich bin in diesem Augenblick im Stress,  in einer labilen Situation. Der Körper sitzt im Auto. Die Gedanken und damit meine Aufmerksamkeit und Energie sind in der Praxis und einem Besprechungsraum und weder im Auto noch im Verkehr. Die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall zu verursachen, ist hoch – und damit weder rechtzeitig in die Praxis noch in die Abteilungsversammlung zu kommen. Dies würde alles nur noch schlimmer machen.

    Wie ist die Lösung?

    Da ich durch regelmäßiges Zen Training den Eintritt in den Coping-Modus wahrnehme und dieser nicht unbewusst bleibt, werde ich nicht Opfer dieser natürlichen Stressreaktion. Ich habe die Möglichkeit, den Stress zu transformieren. Mit einigen tiefen, absichtslosen Ausatemzügen lenke ich die Energie ins Hara (Bauchzentrum). Die Gedankenfolge reißt ab. Körper, Aufmerksamkeit und Energie sind wieder im Auto. Ich rufe in der Praxis an und teile mit, dass ich zunächst in die Abteilungsversammlung gehe. Verschiebbare Termine sollen umgelegt werden. Ohne Unfall erreiche ich die Tiefgarage im Betrieb. Den Weg von der Tiefgarage in den Besprechungsraum lege ich im Kinhin (Gehmeditation im Zen) zurück, natürlich ohne die dabei typische Handhaltung. Geerdet und mit freiem Kopf betrete ich den Raum, der mit aufgeregten Menschen gefüllt ist.

    Das Messergebnis liegt inzwischen vor: Kein Asbest. Ich fühle, die Menschen bleiben erregt. Denn die Gedankenspiralen in ihnen drehen sich noch. Es hätte ja Asbest sein können… Ich greife dieses auf. Wir sprechen über Asbest, Asbestvorkommen und –gefahren im Allgemeinen und ich verspreche, gemeinsam mit den für den Bau im Betrieb Verantwortlichen dafür Sorge zu tragen, dass es im weiteren Verlauf nicht wieder zu unkontrollierten Staubexpositionen kommt. Sie vertrauen mir. Zugegeben erleichtert gehe ich wieder im abgeschwächten Kinhin in meine Praxis und beginne dort verspätet meine Sprechstunde, Patient für Patient, jeder Augenblick neu.

    Mit Stress umzugehen ist keine Zauberei, sondern ein Weg – ein ganz wunderbarer Weg. Ich freue mich, Führungskräfte auf unserem Zen Leadership Seminar „Releasing the Pressure – Stressbalance und vitale Energie“ dabei zu begleiten und unterstützen zu dürfen. Mit Leichtigkeit – Schritt für Schritt.

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