Autor: Angela Geissler

  • Führen ohne Ego

    Führen ohne Ego

    Kann man ohne Ego führen? Eine herausfordernde Frage.

    Betrachtet man moderne, als erfolgreich bewertete Führungseigenschaften, aber auch überlieferte Tugenden von Führern, ergeben sich spannende Einsichten.

    Die egozentrierten charismatischen Bannerträger auf ihren Bananenkisten, sind langfristig keineswegs die erfolgreichsten Führer.

    Hinweise aus dem „Dao de Jing“

    Aber was bedeutet „Führen ohne Ego“? Es bedeutet: Führen aus der Ebene des Nicht-Handelns, eigentlich aus der Ebene des Nicht-Agierens. Ein erster kleiner Hinweis.

    Das älteste Handbuch für Führungskräfte, das „Dao de Jing„, gibt hier sehr eindeutige Handlungsanweisungen. Schon der Titel ist Programm: „Textsammlung über den Weg der Tugend“.

    Tugendhafte Führung

    Das klingt ziemlich verstaubt. Die Werte, die darunter subsummiert werden, sind unserer Zeit sehr angemessen. Wie etwa: Führen mit Demut, Selbstlosigkeit, Güte. Liest man Collins oder Laloux im Hinblick auf diese innere Haltung, kann man leicht erspüren, dass diese Werte sich dort verbergen.

    Es geht eben nicht um ein intellektuelles Verständnis, die super genaue Wirtschaftsanalyse, sondern um das gelebte Vorbild: Die Zurücknahme des Selbst, das Sein im Augenblick. „Also auch der Berufene: Er setzt sein Selbst hintan und sein Selbst kommt voran. Er entäußert sich seines Selbst, und sein selbst bleibt erhalten… Weil er nichts Eigenes will, darum wird sein Eigenes vollendet.“ (Dao de Jing 7). Nicht führen durch Aktionismus, sondern durch gelassenes Sein.

    Die Intention setzen, die innere Ausrichtung, dies beinhaltet sehr wohl, die analytischen Rahmenbedingungen zu kennen; aber sie bestimmen das notwendige, das richtige Handeln nicht. Sie sind ein Puzzleteil unter vielen. „… viele Worte erschöpfen sich daran. Besser ist es das Innere zu bewahren“ (Dao de Jing 5). „Wenn die Ego-getriebene Entscheidung in den Hintergrund tritt, dann wird die Welt von selber recht“ (Dao de Jing 37). Der Berufene häuft keinen Besitz auf, je mehr er für andere tut, desto mehr besitzt er, je mehr er anderen gibt, desto mehr hat er.

    Führen ohne Ego  Foto: Wikicommons

    Die innere Ausrichtung

    Es sind weniger die Worte, die zählen, sondern die innere Ausrichtung. Diese non-verbale Ebene der Kommunikation kann nur funktionieren, wenn man in jedem Augenblick vollkommen präsent und authentisch ist. Nicht im Sinne von leeren Managementfloskeln, sondern im tiefsten Sinn.

    Genau dort liegt auch der Haken, die Schwierigkeit, die wunderbare Führungswelt des Dao de Jing zu leben.

    Notwendigerweise bedeutet dies vollkommen zu erkennen: wer bin ich wirklich und was ist diese Welt. Nicht als kleines Blitzlicht auf dem Meditationskissen, sondern als Sein in der Welt.

    Würde ein Buddha ein Unternehmen oder einen Staat führen? Wir wissen es nicht. Es gab jedoch Politiker die Taoistische Meister waren. Der buddhistische König Ashoka hat sein komplettes Reich umstrukturiert.

    Die ersten Schritte hin zu einer wahrhaftigen Haltung der Führung sind glücklicherweise einfach.

    Wer ärgert sich?

    Innehalten und erkennen: Ich ärgere mich. Das sagt schon viel aus. Ich bin es der sich ärgert, gleichgültig was diesen Ärger ausgelöst hat, ich bin es selbst. Lasse ich diesen Ärger los, denn das vermag ich (Epiktet), dann habe ich einen kleinen Zipfel des Egos hinter mir gelassen. Vielleicht nur für eine kurze Zeit. Es hilft, immer wieder die eigenen Handlungen und Gedanken zu betrachten: Was macht das Ego da? Wer denkt? Bin ich meine Gedanken? Oder ist da noch etwas anderes? Schrittweise aus den antrainierten Coping-Mechanismen des Alltags aussteigen. Die ganze Welt wird so zum Übungsfeld, mit allen Freuden, Widrigkeiten und Hindernissen, Malaisen und Ungereimtheiten, um aus dem Ego immer wieder und wieder auszusteigen. Sich fragen: Ist es heilsam? Wer handelt? Bis das Ego müde, frustriert oder wütend aufgibt.

    Auf diesem Weg, im Scheitern, im Aufstehen im Weitergehen verwandelt sich der Führungsstil. Verschwinden festgefügte Glaubenssätze, wird die permanente Veränderung zum eigentlichen Weg. Werden die Sätze des Dao de Jing erlebbar. Zu erfahren, dass Führung nicht bedeutet auf die Bananenkiste zu klettern, um zu verkünden was richtig ist, sondern eine weise und demütige Haltung der Führung zu entwickeln. Den Dingen Entwicklungsraum zu gewähren. Gar nicht einfach in unserer Welt der schnellen Entscheidungen und Zielvereinbarungen.

    Führen ohne Ego

    Dann zu erkennen, dass es viele Wege gibt, viele Ideen und man nicht vorschnell Urteile fällen sollte (Shinmen Musashi), dass die kreative, neue Idee den Raum des Non-Ego in der Führung braucht.

    Das Ego ist hart und stark und hilft beim Überleben, das Non-Ego ist fließend und schwach und ist das Leben. „Das Allerweichste auf Erden überholt das Allerhärteste auf Erden. Das Nichtseiende dringt auch noch ein in das, was keinen Zwischenraum hat. Daran erkannt man den Wert des Nicht-Handelns. Die Belehrung ohne Worte, den Werte des Nicht-Handelns erreichen nur wenige auf Erden.“ (Dao de Jing 43)

    Mit jedem Atemzug, mit jedem Schritt, mit jeder Entscheidung diesem Ziel ein bisschen näherkommen und so zum fließenden Wasser der Veränderung werden.

    Ein wundervoller, abenteuerlicher Weg. Ein Zen-Weg im Leben, Führen ohne Ego…

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    Blogbeitrag von Prof. Dr. Angela Geissler, Meditationslehrerin, Ärztin und Autorin

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    Zum Thema: Wie wir herausfinden, wofür es sich zu leben (und zu arbeiten) lohnt – Ikigai.

  • Finde dein Mantra

    Finde dein Mantra

    Wie wirken Mantren?

    Mantren sind besondere Worte oder Sätze denen seit Urzeiten besondere Kräfte zugeschrieben werden. Im Alltag, zum Beispiel im Arbeitsumfeld, können sie helfen, mit herausfordernden Emotionen wie Wut, Angst oder Unsicherheit besser umzugehen.

    Viele Mantren werden laut rezitiert und in den Lauten und Klängen entfaltet sich ihre Wirkung, ohne Mitwirkung der intellektuellen Ebene. Körper und Geist werden verbunden. Dies wirkt über unsere rein materielle Welt hinaus und Hindernisse können überwunden werden.

    Werden solche Worte, Sätzen und Silben immer wiederholt, dann unterbrechen diese den unaufhörlichen Malstrom unserer Gedanken. Dies kann beispielsweise therapeutisch genutzt werden: Bei Personen, die unter Angst und Panik leiden, können solche Sätze eine Panikattacke beenden.

    Kurz und prägnant

    Für eine optimale Wirkung ist es sinnvoll, sich ein eigenes Mantra zu schaffen. Dieses sollte kurz, prägnant und einfach zu wiederholen sein. Dieses Mantra kann man still innerlich wiederholen und nach und nach stellt sich eine Veränderung ein. Hier wirken Mantren ein wenig wie Affirmationen.

    Affirmationen sind Sätze, die eine positive innere Ausrichtung zur Folge haben. Wie zum Beispiel: „Ich bin glücklich“. „Ich erkenne meine wahre Größe“. „Ich vergebe und gewinne Kraft“. Im Buchhandel und im Internet gibt es eine große Auswahl dieser Affirmationen. Sie beruhen auf den Prinzipien der positiven Psychologie, die man am einfachsten so zusammenfassen kann: Ändere deine Gedanken und Vorstellungen und dein Leben ändert sich. Probiert es aus.

    Finde dein Mantra

    Setze dich einmal hin. Schließe die Augen und genieße den Augenblick. Stelle dir die Frage: Welches Gefühl hat mich heute am meisten beschäftigt? Meist sind dies schwierige Gefühle. Wie schöne wäre es, ein Antidot zur Hand zu haben. Nimm einen Stift und ein Blatt Papier und schreibe einfach was dir zu dem schwierigen Augenblick oder Gefühl in den Sinn kommt mit der Ausrichtung, was dich wirksam unterstützen könnte. Schreibe ohne Kontrolle über das Geschriebene. Stoppe nach 2 Minuten. Betrachte das Geschrieben. Suche einen positiven Satz oder ein Wort, dass dir helfen könnte. Wiederhole dies still oder auch laut. Wenn es sich stimmig anfühlt, hast Du dein Mantra gefunden.

    Als Beispiel: Du hattest heute Stress mit einer Kollegin oder einem Kollegen und bist sauer geworden. Diese Reaktion kennst Du schon. Dann könnte dein Mantra sein: „Gelassen Sein gibt mir Kraft“.

    Viel Spaß beim Ausprobieren.

    Blogbeitrag von Prof. Dr. Angela Geissler, Meditationslehrerin, Ärztin und Autorin

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    Dieser Blogbeitrag knüpft an Angelas Vortrag am Zen Leadership Abend im virtuellen Kloster an. Hier die Auflösung für das Sanskrit Mantra, für alle, die dabei waren: Das Mantra löst alle Hindernisse und die Verlockungen der Maras (der Welt) auf (wirkt also gegen Gier):

    „Namah samanta-buddhanam/mahabalavati dasa-balodbhave mahamaitry abhyudgate svaha“.

    Finde dein Mantra

  • Traum und Schlaf als Weg der Transformation

    Traum und Schlaf als Weg der Transformation

    Von Marc Aurel, tibetischem Buddhismus und Internet-Gurus.

    Traum und Schlaf als Transformationsweg? Ist Schlaf nur ein ohnmachtähnlicher Zustand? Träume nur Schäume?

    Im Schlaf regenerieren wir uns, integrieren neues Wissen und unser Gehirn räumt schädliche Ablagerung zur Seite. Kann das alles sein? In allen Zeiten haben Menschen geträumt, sich an ihre Träume erinnert und darüber sinniert welche Bedeutung diesen Träumen vielleicht zukommen mag.

    In der Neuzeit im Westen ist es Sigmund Freud zu verdanken, dass Träume plötzlich nicht mehr nur als Überreste einer Nacht gewertet wurden. Auch wenn seine Erkenntnisse nicht dem heutigen Stand der Wissenschaft entsprechen, so gebührt ihm der Dank, die Träume aus der Dunkelheit der Nacht befreit zu haben.

    Die Antike

    Unsere Vorfahren betrachteten Träume als wichtige Wegweiser in ihrem Leben. Der berühmte Philosophenkaiser Marc Aurel schrieb hierzu:

    „….daß ich in meinen Träumen Ratschläge erhielt, unter anderem gegen das Blutspucken und die Schwindelanfälle.“ (Erstes Buch, 17)

    Dies zeigt, dass im Traum Ebenen der Weisheit zugänglich sind, die unser Alltagsbewusstsein nicht erreichen kann. In Griechenland wurde dies auch systematisch genutzt. Mit Ritualen zur Einstimmung auf den Schlaf und einer Analyse des Traums. Die Patienten reisten in ein Heiligtum um dort zu träumen.

    Dies war Teil der Heilbehandlung im Asklepios Kult, mit Zentren in Epidauros in der Argolis. Im Traum erschien dem Träumer dann der Arzt und gab dem Patienten Diäten oder andere Kuren auf. So wurden Traum und Schlaf als Transformationsweg genutzt.

    Der Osten

    Im tibetischen Buddhismus gibt es den Übungsweg des Traum Yoga. Dort wird der Schüler in vielen Schritten in das strukturierte Träumen eingeführt. In den resultierenden Träumen, sogenannten luziden Träumen, öffnen sich, wie bei den Griechen, andere Bewusstseinsebenen. Die Plagen und Hindernisse der Alltagsrealität sind nicht vorhanden. Die persönliche und spirituelle Transformation geschieht sozusagen im Schlaf.

    Die Möglichkeiten Traum und Schlaf als Transformationsweg zu nutzen sind vielfältig. Auch im Zen gibt es hierzu Übungsansätze. Regelmäßig Meditierende haben einen deutlich einfacheren Zugang zu ihren Träumen.

    Wichtig ist die Phase des Einschlafens. Diese determiniert, neben Tagesereignissen, das Traumgeschehen. Unsere Entwicklung spiegelt sich in unseren Träumen, aber unser Handlungen in den luziden Träumen, verändern unser Alltagswesen.

    Die menschliche und spirituelle Reife drückt sich im Traum aus. Diese Aussage geht auf den Stoiker Epiktet zurück und findet sich auch im tibetischen Buddhismus wieder.

    Internet Gurus

    Luzide Träume öffnen faszinierende Welten. Nicht nur im Film „Inception“, der eine nicht ganz realistische Extremvariante dieser Traumerfahrungen spiegelt.

    In den luziden Träumen können wir sein wer oder was immer wir sein möchten. Die Gesetze der Physik sind außer Kraft gesetzt. Wir schaffen unsere eigenen Realität.

    Man könnte dies als Spielerei abtun. Doch die jahrtausende alte Erfahrung zeigt, dass diese Träume Veränderungen im Alltags-Ich auslösen. Sportler können ihre Fähigkeite trainieren. Spirituell suchende können mit anderen Weisheits- und Bewusstseinsebenen in Kontakt treten. Selbst wer nur zum Spaß im luziden Traum fliegt oder Mitglied einer Expedition wird, verändert sich. Der Alltagsgeist wird fluider, Perspektivenwechsel werden einfacher, Traumata können aufgelöst werden und ungewöhnliche Lösungen finden ihren Weg in unser Denken.

    Im Netz tummeln sich viele ernsthafte Traumforscher und windige Gurus um uns die vielfältigen Möglichkeiten der Klarträume näher zu bringen. Wer sich auf diese Reise begibt sollte eine gefestigte Persönlichkeit haben, denn die Grenze zwischen Traum- und Alltagsrealität kann verschwimmen. Wie im Film Inception braucht es hier manchmal einen Anker, eine Übung oder einen besonderen Gegenstand. In ganz besondere Weise wird in diesen  Träumen erlebbar, dass alles veränderlich und nichts fest gefügt ist. Dies gilt für Traum wie Wirklichkeit. Diese Erfahrung kann uns helfen schwierigen Situationen, selbst dem Tod, in gelassener Weise zu begegnen.

    Oder wie Marc Aurel schreibt:

    „Werde nüchtern und rufe dich zur Ordnung, und wenn du aufgewacht bist und erkennst, daß dich Traumbilder quälten, dann betrachte, neu erwacht, die Wirklichkeit so, wie du jene (Traumbilder) betrachtet hast“ (Buch 6/31)

     

    Blogbeitrag von Prof. Dr. Angela Geissler, Ärztin, Coach und Autorin

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