Kategorie: Zen und Heilung

  • Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Psychosomatische Beschwerden sind relativ häufig. Dieser Beitrag erläutert die physiologischen Zusammenhänge und wie Zen in Vorbeugung und Behandlung unterstützend wirkt.

    Als psychosomatische Beschwerden werden in der Medizin körperliche Beschwerden bezeichnet, die nicht oder nicht nur auf Funktionsstörungen des Körpers zurückzuführen sind. Sie ähneln aber in ihrer Ausprägung rein körperlichen oder organischen Beschwerden. Aber diese trennende Aufteilung in körperliche, psychische und psychosomatische Beschwerden entspricht einer historischen, medizinischen Betrachtungsweise, die jedoch immer noch aktuell ist und der Aufteilung in medizinische Fachgebiete entspricht. Im Zen – wie auch anderen fernöstlichen Traditionen – ist diese Trennung nie vollzogen worden.

    Normale psychosomatische Funktion

    Unser Körper wird entscheidend durch das vegetative Nervensystem gesteuert. Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Teilen, die Waagschalen einer Waage miteinander arbeiten, dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus aktiviert unseren Körper, wie es beim Kämpfen oder Flüchten erforderlich war und ist. Der Parasympathikus sorgt für Erholung, Regeneration, Verdauung, Entspannung und ist auch bei der Fortpflanzung aktiv. Ist der Sympathikus aktiv, ruht der Parasympathikus und umgekehrt. Beide Systeme hochgefahren gleichzeitig geht nicht. Dies alles findet auf entwicklungsgeschichtlich niedrigen Ebenen des Nervensystems statt, im Rückenmark, Hirnstamm, Stammhirn, Mittelhirn. Unsere Wahrnehmungen aus der Umwelt, aber auch aus dem Körper selbst, und das vegetative Nervensystem stehen in ständigem Austausch miteinander.

    Was wir als Psyche bezeichnen ist hingegen eher im entwicklungsgeschichtlich jüngeren Großhirn im Zusammenspiel mit dem Mittelhirn lokalisiert. Beide sind jedoch nicht vom übrigen Nervensystem getrennt. Vielmehr findet ein intensiver Austausch untereinander statt. Und es ist keinesfalls so, dass das Großhirn sozusagen die anderen Anteile dominiert und der Austausch nur in dieser einen Richtung vom Großhirn zum Rest hin stattfindet.

    Eine echte Trennung von Körper und Psyche gibt also allenfalls aus medizinhistorischen oder didaktischen Gründen und nicht in Wirklichkeit.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Quelle: Wikipedia, aus Neil A. CampbellJane B. Reece: Biologie. Spektrum-Verlag Heidelberg-Berlin 2003, ISBN 3-8274-1352-4

    Psychosomatische Funktion bei psychischer Belastung

    Bei anhaltenden psychischen Belastungen kommt es nun zu einer Verschiebung des inneren Gleichgewichts hin zum Sympathikus. Wir sind daueralarmiert. Faszinierend ist, tatsächliche Belastungen verstärken sich sehr häufig durch Gedankenketten, Befürchtungen, Ängste, Glaubenssätze, die mit der tatsächlichen Belastung nur wenig zu tun haben. Unser ewiges Gedankenkarussell dreht und dreht. Was hätte ich besser machen können? Wenn ich das nicht schaffe, was dann? Was sollen die anderen von mir denken? etc. … Das Gedankenkarussell hat selbst keine greifbare Substanz. Der Sympathikus, der dadurch aktiviert wird, führt aber zu realen, messbaren Veränderungen unseres Körpers.

    Ist der Sympathikus aktiviert, sind wir bereit zum Kampf oder zur Flucht. Die Schultern sind hochgezogen, der Rumpf gebeugt zum Schutz der lebenswichtigen Organe. Die Beine sind sprungbereit. Atmung und Herzaktivität sind beschleunigt. Energiereserven werden im Blut bereitgestellt. Der Blutdruck steigt, um die Muskeln mit Energie und Sauerstoff zu versorgen. Verdauung, Immunsystem, Sexualität werden gedrosselt. Die Schmerzempfindung und der bewusste Kontakt zu unserem Körper wird heruntergeregelt. Es ist die vollkommene Fokussierung auf Kampf oder Flucht. Intelligenz und Kreativität sowie ein soziales Miteinander sind in diesem Moment nicht mehr möglich.

    Ist der Sympathikus daueraktiviert, bleiben wir im Zustand der Daueralarmierung, bis die Ressourcen des Körpers erschöpft sind.

    Psychosomatische Funktionsstörungen bei Dauerbelastung

    Auf diese Erschöpfung macht der Körper uns zunächst durch Beschwerden aufmerksam, später durch Krankheiten. Es kommt zu schmerzhaften Verspannungen des Bewegungsapparates, die in bleibende Veränderungen der Gelenke, Faszien, Bandscheiben übergehen. Der Blutdruck ist dauerhaft erhöht. Herzrhythmusstörungen können auftreten. Der Stoffwechsel verschiebt sich hin zu erhöhten Blutfetten und einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Die Tätigkeit von Magen und Darm sind gestört. Häufig kommt es zu Übersäuerungen, Druck im Oberbauch, Durchfall, Verstopfung. Infekte häufen sich. Das Sexualleben ist gestört. Bei hohem Erholungsbedürfnis funktioniert das Schlafen nicht mehr. Arztbesuche sind nötig. Das warten auf Termine und wenig richtungsweisende Befunde beunruhigen zusätzlich. Eine verhängnisvolle Abwärtsspirale beginnt.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen

    Selbstverständlich ist es nötig, alle diese Beschwerden durch medizinische Diagnostik abzuklären. Hinter allem können ja behandlungsbedürftige Krankheiten stecken, die wir dem klassisch somatischen Bereich zuordnen, also dem körperlichen Bereich. Das ist der Schwerpunkt und Nutzen der spezialisierten westlichen Medizin. Oder wenn die körperlichen, die somatischen Beschwerden nur Begleiter einer ernsthaften psychischen Erkrankung sind, dann ist es der Schwerpunkt der Psychiatrie. Manchmal ist das Beschwerdebild auch so stark fortgeschritten, dass eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist, um überhaupt aus westlich medizinischer Sicht „weichere“ Methoden zum Einsatz bringen zu können.

    Vorher jedoch, wenn wir uns noch im Bereich der Funktionsstörungen bewegen, kann Zen regulierend und vorbeugend wirken. Zen im Sinne eines Weges, bestehend aus regelmäßiger Meditation, dem Zazen, und regelmäßiger körperlicher Aktivität.

    Bewegung bringt Körper und Psyche in Einheit

    Regelmäßige körperliche Aktivität, gern ein Mix aus Kraft und Ausdauer, trainieren das Spiel des vegetativen Nervensystems. In der körperlichen Belastung ist der Sympathikus aktiv, danach in der Erholung der Parasympathikus. Körper und Psyche werden hier zu einer Einheit. Die psychosomatischen Regelkreise werden trainiert. Anspannung und Entspannung folgen einem ganz natürlichen Rhythmus.

    Im Zazen sitzen wir körperlich still, aufrecht, Schulter und Nacken entspannt, der Bauch entspannt, die Brust geöffnet. Die Körperhaltung bei Alarmierung ist aufgehoben. Dies erleichtert ganz natürlich ein heilsames, rhythmisch fließendes Atmen mit verlängerter Ausatmung, die sich von selbst ergibt – gern unterstützt durch eine Meditationsübung. Hierdurch wird der Parasympathikus aktiviert.

    Sport und Zazen haben also einen direkt therapeutischen Effekt bei psychosomatischen Funktionsstörungen. Regelmäßiges Zazen führt aber darüber hinaus zu einem Anhalten unserer Gedankenkarusselle und mehr und mehr zur Erkenntnis, was unser ganz persönliches Karussell ist und was Wirklichkeit.

    Psychosomatische Beschwerden und Zen: Einen wunderbaren Einstieg in diesen Weg bietet u.a. das Seminar „Releasing the pressure – Stressbalance und vitale Energie“ https://www.zen-leadership.training/zen-leadership-way/stressbalance-und-vitale-energie/ .

     

    Blogbeitrag von Dr. Michael Neuber, Zen Leadership Trainer, Arbeitsmediziner, Allgemeinmediziner und Betriebsarzt

  • Essen und Meditation beeinflussen Telomere und Zellalterung

    Essen und Meditation beeinflussen Telomere und Zellalterung

    Was hat Essen mit Leadership zu tun?

    Welchen Einfluss hat unsere Ernährung auf unseren Führungsalltag? Jede Menge, denn Führung heißt in erster Linie Selbstführung. Es heißt, auf sich selbst mindestens genauso gut zu achten, wie auf Mitarbeiter oder Unternehmen. Unserem Körper kommt dabei eine große Bedeutung zu. Im Zen bezeichnen wir unseren Körper gern als Eintrittstor in die Meditation, als die Basis um uns selbst zu entdecken. Doch jeder Körper ist nur so kraftvoll, wie die Bausteine, aus denen er gebaut wird. Diese Bausteine sind die vielen Nährstoffe, die wir uns tagtäglich zuführen. Ernährung und Meditation beeinflussen sich dabei gegenseitig auf spannende Art und Weise.

    Warum werden Zen Meister so alt?

    Wirft man einen Blick auf die großen Zen Meister in Japan, ist man oft erstaunt, wie jugendlich und vital diese wirken. Ist es rein die Meditation, die für das Jungbleiben der Zellen verantwortlich ist oder steckt vielleicht mehr dahinter?

    Eine mögliche Antwort gibt die amerikanische Nobelpreisträgerin für Medizin, Prof. Dr. Elizabeth Blackburn. In ihrem Buch „Die Entschlüsselung des Alterns – Der Telomer-Effekt“ beschreibt sie eindrucksvoll den Einfluss von Meditation und Ernährung auf unsere Telomere. Telomere sind die „Schutzkappen“ unserer Chromosomen. Bei jeder Zellteilung verkürzen sie sich. Ab einer bestimmten kritischen Länge können sie ihre Schutzfunktion nicht mehr ausüben. Die Zelle stirbt ab, wir altern.

    Essen und Meditation beeinflussen Telomere und Zellalterung
    Quelle: VC-Fitness GmbH

    Der Telomer-Effekt

    Jeder von uns kommt mit einer bestimmten Telomer-Länge auf die Welt. Genetische, aber auch epigenetische Aspekte kommen hier zum Tragen. Wie schnell sich die Telomere abnutzen, entscheidet ab dem Zeitpunkt unserer Geburt unser Lebensstil bzw. unsere Lebensumstände. Elizabeth Blackburn konnte eine Reihe von Einflussfaktoren identifizieren, die hier eine Rolle spielen. Eine entscheidende davon ist das Thema Stress. Stress dürfte sich stark telomerverkürzend auswirken. Dass Meditation hier einen positiven Einfluss haben kann, liegt auf der Hand, aber wie sieht es mit der Ernährung aus?

    Man nähert sich einer Antwort, wenn man sich typische ernährungsbedingte Krankheiten bzw. Symptome ansieht, die die Ernährungsmediziner heute beschäftigen. Dazu zählen insbesondere Insulinresistenz, oxidativer Stress und Entzündungen. Werfen wir einen kurzen Blick darauf:

     

    Insulinresistenz

    ist die Vorstufe von Typ-II-Diabetes und vor allem das Resultat eines übermäßigen und „falschen“ Kohlenhydrat-Konsums. Aber auch Bewegungsmangel und Stress wirken sich negativ aus.

    Oxidativer Stress

    entsteht durch einen Überschuss an freien Radikalen, der nicht durch Antioxidantien (deren Gegenspieler) abgefedert werden kann. Die Anzahl der freien Radikale steigt bei Stress rapide an. Gesellt sich dazu eine vitalstoffarme Ernährung mit wenig Antioxidantien, steigt der sog. oxidative Stress.

    Entzündungen

    Viele Mediziner sehen Entzündungen (v.a. sog. Silent Inflammations) als optimalen „Nährboden“ für viele Erkrankungen an. Nährstoffe, welche Entzündungen fördern, wie z.B. die Arachidonsäure (eine bestimmte Omega-6-Fettsäure) verstärken das Problem.

     

    Insulinresistenz, oxidativer Stress und Entzündungen gelten damit als wichtige Einflussfaktoren für die Zellalterung. Aus diesen Überlegungen können telomer-feindliche, aber auch telomer-freundliche Lebensmittel identifiziert werden.

     

    Essen nach den Telomeren

     

    Telomer-freundliche Lebensmittel
    •Ballaststoffe (Vollkorn) 
    •Nüsse, Hülsenfrüchte
    •Meeresalgen
    •Omega-3-haltiger Fisch (Lachs, Makrele, Hering)
    •Antioxidantien aus Obst und Gemüse 
    •Grüner Tee
    •Kaffee (in Maßen), Kakao
    •Vitamin D, B-Vitamine
    •Fastenphasen (z.B. Intervall-Fasten, Pausen)

    Telomer-feindliche Lebensmittel
    •Rotes Fleisch, Wurstprodukte
    •Zuckerhaltiges
    •Omega-6 Fettsäuren (Schweinefleisch, Weichkäse,…)
    •Weißbrot
    •Fertigprodukte
    •Hoher Alkoholkonsum

     

    Wie beeinflusst die Meditation unsere Ernährung?

    Die Praxis der Meditation verbessert nicht nur unsere Körperwahrnehmung, sondern führt automatisch zu mehr Achtsamkeit im Alltag. Viele Meditierende berichten, dass sich im Laufe der Zeit ihr Ernährungsverhalten ganz automatisch geändert habe. Weg von Fertigprodukten und Fleisch, hin zu mehr Gemüse und vitalstoffreichen Lebensmitteln. Das Bewusstsein für einen gesunden Körper steigt, ohne eine bestimmte Diät ausüben zu müssen. Meditation hilft quasi dabei zum eigenen Wohlfühl-Manager zu werden.

    Ernährung als Leadership Do?

    Der große japanische Zenmeister Dogen Zenji (1200 – 1253) erachtete das Kochen als eine wichtige Zen-Übung im Alltag. Er vertrat sogar die Meinung, dass jeder Zenmeister in seinem Leben einmal die Funktion des Tenzos (Koch im Kloster) übernommen haben sollte, da kaum eine andere Tätigkeit unsere Achtsamkeit und das Wahrnehmen des Augenblicks besser schule als Kochen. In der Tat ist Kochen eine wunderbare Gelegenheit um „Zen im Alltag“ zu üben. Es gilt dabei alle Ablenkungen auszuschalten und sich ausschließlich auf die Tätigkeit „Nur Gurke schneiden“ oder „Nur Salat waschen“ zu konzentrieren.

    Essen im Schweigen für mehr Achtsamkeit

    Auch das Essen selbst bietet eine spannende Übungsmöglichkeit. In einem Zen Kloster werden die Speisen üblicherweise im Schweigen eingenommen. Viele Teilnehmer eines Sesshins (Meditationsseminar) berichten darüber, wie bewusst die Lebensmittel plötzlich wahrgenommen werden, wie langsam gegessen wird und wie stark die Wahrnehmungsfähigkeit dafür ansteigt, was guttut und was nicht. Man braucht kein Kloster, um diese Übung zu praktizieren. Bei den meisten von uns bietet sich dreimal pro Tag die Gelegenheit dafür. Hier ein paar

    Anregungen für den Alltag:

    • Während des Essens auf sämtliche Ablenkungen verzichten. Keine Zeitung, kein Fernsehen, kein Handy.
    • Einmal pro Tag eine Mahlzeit in Schweigen einnehmen.
    • Sich für jede Mahlzeit an einen Tisch setzen und die Mahlzeit bewusst als solche zelebrieren.
    • Versuchen jede Geschmackskomponente bewusst wahrzunehmen. Fragen Sie sich hinterher: Was genau habe ich gegessen?
    • Nach dem Essen in den Körper hineinspüren und sich fragen: Wie fühle ich mich jetzt?

    Mit der Zeit entwickelt sich automatisch ein sehr gutes Gespür dafür, welche Lebensmittel Energie schenken und welche sie eher rauben.

    Ein kleines Experiment: Dinner im Dunkeln

    Ich möchte Sie an dieser Stelle noch zu einem kleinen Experiment einladen. Es geht um einen Rückzug der Sinne, zumindest jener, die man fürs Essen nicht benötigt. Vor ein paar Jahren nahm ich an einem „Dinner im Dunkeln“ teil. Ein gesamtes Menü im stockdunklen Raum, serviert von blinden Kellnern. Als Ernährungsexpertin war ich überrascht, wie unfähig wir alle waren, die Speisen genau zu identifizieren. Es war eine höchst spannende und erkenntnisreiche Aufgabe, die zu einer eklatanten Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeit führte. Sie können diese Übung auch problemlos selbst durchführen: Lassen Sie sich beim nächsten Mal einfach die Augen verbinden, wenn Sie bekocht werden. Je weniger Sie im Vorfeld über das Essen wissen, desto spannender der Effekt.

     

    Blogbeitrag von Conny Hörl, Zen Leadership Trainerin und Unternehmerin

     

    Buchempfehlungen:

    Über den Telomer Effekt:
    Prof. Dr. Elizabeth Blackburn, Prof. Dr. Elissa Epel: „Die Entschlüsselung des Alterns – Der Telomer-Effekt“ , Mosaik Verlag

    Ausführungen von Dogen Zenji:
    Kosho Uchiyama Roshi: „Zen für Küche und Leben“ , Angkor Verlag

    Anregungen für den Alltag:
    Thich Nhat Than: „Einfach Essen“. O.W. Barth

  • Wie integriere ich meine Zen-Meditation in den Alltag?

    Wie integriere ich meine Zen-Meditation in den Alltag?

    Zen braucht Zeit, die Zen-Meditation vor allem. Nicht viel zwar, aber der Alltag ist schon so vollgepackt, dass es mir schwerfällt, mir die Zeit zu nehmen. Im Zen-Seminar mit seinem geregelten Zeitablauf habe ich gemerkt, wie wohltuend es ist, Zen-Meditation im Tagesablauf bewusst zu integrieren. Wie schaffe ich es, mir das im Alltag zu bewahren?

     

    Zen-Meditation kann gesundheitlichen Risiken vorbeugen

    Eine wichtige Frage, die sehr, sehr hilfreich ist. Es ist doch so: Wenn ich das Gefühl habe, Zeit zu haben für mich und den Sinn sehe, dass ich meine Welt nur dadurch bewege, dass ich mich in meiner Welt bewege und nicht außerhalb davon, dann meditiere ich vielleicht 25 Minuten. Wenn ich aber feststelle, dass ich keine Zeit habe, dann sollte ich erst recht mindestens eine Stunde Zen-Meditation praktizieren, denn das ist ein ganz wichtiges Warnsignal. In der Tat ist es so, wenn ich keine Zeit mehr habe, bin ich in Gefahr. Und „Gefahr“ ist dabei wörtlich zu nehmen, im schlimmsten Falle Lebensgefahr ‒ denn so etwas kann tödlich ausgehen.

    Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, denn Zen ist ein Synonym für Selbstwertschätzung, und dafür, sein eigenes Potenzial zu entwickeln. Es ist von enormer Wichtigkeit, sich klarzumachen, welche Auswirkungen es haben kann, der Meinung zu sein, keine Zeit zu haben. Nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch letztendlich für die Ziele, die ich erreichen möchte. Man stelle sich einen Menschen vor, der in einem Wald ist und einen Baum fällen möchte und mit einer stumpfen Axt drauf los hackt. Dann geht ihr zu ihm und sagt: „Hallo, deine Axt ist stumpf, willst du sie nicht schärfen?“. Sagt er: „Keine Zeit, ich muss den Baum fällen.“

     

    Der Lebenszeit die Bedeutung verleihen, die sie verdient

    Also, erste Punkt ist: Zeit existiert nicht, sondern es gibt nur eine innere Auslegung von Kausalitäten, die uns in Bedrängnis bringen. Ich kann ja nicht einfach sagen, daß es mein Lebensstil ist, dass zu viele Dinge passieren und dabei bleiben. Dann muss ich Entscheidungen treffen, das ist ganz einfach. Und wo will ich dann einen Cut setzen? Ich arbeite 12 Stunden und bin halb tot, dann kommen 14 Stunden, das ist dann gerade noch okay  usw… Also können wir genauso gut schon bei acht Stunden anfangen einen Cut zu machen.

    Das ist der Weg zum Wesentlichen. Zen ist an dieser Stelle die Fokussierung und die Zen-Meditation der tägliche Weg.

     

    Der innere Schweinehund

    Und wenn ich das getan habe, und mir klargemacht habe, dass ich mir mit Achtsamkeit mir selbst gegenüber die Zeit nehmen muss, kommt ein fast noch härterer Gegner: Der innere Schweinehund.

    Auch hier kann die Lösung wieder nur aus mir selbst heraus kommen.  Viele sind der Meinung, dass der innere Schweinehund nur mit Disziplin zu besiegen ist. Dabei wird allerdings vergessen, dass ich damit genau das Gegenteil von dem tue, was im Rahmen der Achtsamkeit mir selbst gegenüber so wichtig ist. Denn Disziplin impliziert viel zu häufig, mich zu etwas zu zwingen, was ich eigentlich gar nicht möchte, und das ist alles andere als heilsam. Vielmehr sollte ich mir klarmachen, warum ich in erster Linie den Zen-Weg gehen möchte und Zen-Meditation machen möchte. Mir bewusst vor Augen halten, dass mir eben gerade nicht etwas von außen aufgezwängt wird, sondern ich ein intensives Bedürfnis danach habe, meine innere Kraft und Mitte wiederzufinden.

    Der Schlüssel ist also nicht Disziplin, sondern Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Glück, die Sehnsucht nach Entwicklung, die Sehnsucht nach Erfüllung. Das ist der Motor, der mich dazu bringt, Zen-Meditation zu praktizieren und mache ich mir das bewusst, hat der innere Schweinehund jede Bedeutung verloren.

     

    Zen-Meister Hinnerk Syobu Polenski 

    im Gespräch mit Seminarteilnehmern, Zen-Kloster Buchenberg, Sommer 2016

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